Projektbesuch in Athen – ein Bericht von Katja Walterscheid

Am 19. Januar komme ich bei recht frühlingshaften 17 Grad in Athen an. Bei 5 Grad in Stuttgart war ich aufgebrochen und trage noch meine Winterjacke. Zu meiner Überraschung falle ich damit nicht auf, denn viele Winterpullis und Jacken prägen das Bild. Die Wahrnehmung von Temperatur ist doch sehr unterschiedlich.

Ich freue mich auf diese Woche. Geplant ist eine Schulung zu Trauma-Folgen für unsere Sozialarbeiterinnen, aber auch Gespräche mit den Menschen, die von just human begleitet werden. Und alles lief gut.

Büro Athen - 1-2025Der erste Tag beginnt mit einem Austausch mit Niki und Stavroula in unserem Athener Büro. Die beiden Sozialarbeiterinnen sind für die Arbeit in Athen verantwortlich. Nachmittags besuchen wir Cecile* und Alima. Die Frauen mit ihren Töchtern waren obdachlos, verzweifelt und ohne Hoffnung – und fanden Schutz in unserem Maison Charlotte. Das war vor drei Jahren. Ihre beiden Töchter machten im Schutzhaus ihre ersten Schritte. Und die Mütter lernten wieder Vertrauen und Zuversicht, die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Bei meinem Besuch erzählt Cecile begeistert von einem Vorstellungsgespräch und Alima lacht, wenn sie vom Griechisch-Sprachkurs berichtete. Die kleinen Mädchen gehen inzwischen in die Schule und begrüßen mich auf Griechisch. Alima ist seit 7 und Cecile seit 4 Monaten als Flüchtling anerkannt. Beide wollen sich ein Leben in Griechenland aufbauen. Deshalb haben sie sich für das Projekt „Schutz und Unterstützung beim Start in ein selbstbestimmtes Leben“ beworben. Gemeinsam wohnen sie nun in einer eigenen Wohnung. Bei den Mietzahlungen und anderen Kosten werden sie noch von just human unterstützt, tun aber alles, um bald selbständig zu sein.

Maison Charlotte - 1-2025Als ich am nächsten Tag unsere Schutzwohnung Maison Charlotte besuche, krabbelt die kleine Laure herum. Ihre Mutter Elise ist bei unserem Besuch in gedämpfter Stimmung. Der Platz in der Schule für ihren Sohn ist noch nicht bewilligt. Und davon hängt ab, zu welchen Zeiten sie arbeiten kann. Eine Kinderbetreuung für Laure hat Niki schon vermittelt. Elise hat in Griechisch ein A2 Niveau, will neben der Arbeit weiter lernen und auch in unser Projekt „Schutz und Unterstützung auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben“ wechseln.

Im Maison Charlotte treffe ich auch Sara. Sie ist als Jugendliche aus Somalia geflohenMaison Charlotte - 1-2025 und inzwischen erwachsen geworden. Die 19jährige wird im Sommer ihren Schulabschluss machen und möchte dann Schneiderin werden. Stolz zeigt sie mir die Taschen, die sie in einem Abend-Nähkurs geschneidert hat. Sara ist zuversichtlich, denn ihre Lehrerin hat ihr Mut gemacht und will bei der Ausbildungsplatzsuche helfen.

Wichtig sind bei diesem Projektbesuch auch Kooperationsgespräche mit anderen Organisationen. Mit Action for Women bespreche ich, wie wir unsere Angebote besser vernetzen können. Ich berichte über unser Unterstützungsangebot für anerkannte geflüchtete Frauen und leite ihnen das Antragsformular für eine Teilnahme weiter. Und sie bieten für die Frauen aus unseren Projekten Griechisch-Kurse an.

Alle Teilnehmenden an Projekten von just human nehmen an Griechisch-Kursen teil, es ist ein wichtiger Baustein für die Integration. Dass diese Kurse bei Action for Women von Lehrkräften geleitet werden, die sensibel für die besondere Situation geflüchteter Frauen sind, macht die Teilnahme für viele einfacher. Pauline, eine Projektteilnehmende mit großen Ängsten, hat am Montag – nur wenige Tage nach unserem Kooperationsgespräch –  einen Alphabetisierungskurs bei Action for Women begonnen.

Im Januar ist just human Mitglied im Betreiberteam des Free-Shops “FAYI“ Im Free-Shop "FAYI"geworden. Gemeinsam mit anderen Organisationen zahlen wir nun monatliche Beiträge für Miete und eine Halbtagskraft, die alles organisiert. Viele Waren werden gespendet. Regale voller Lebensmittel, Hygieneprodukte, Schulmaterialien und auch Kleidung warten auf die Kundinnen und Kunden. Der Free-Shop ist nun ein wichtiger Beitrag für die Grundversorgung vieler Menschen, die an den Projekten von Just Human teilnehmen. Zusätzlich bekommen sie ein wenig Bargeld, um sich z.B. frisches Obst oder Gemüse kaufen zu können.

Am Freitag treffe ich Kolleginnen von der Caritas Athen. Gefördert von der Stadt Stuttgart bot die Caritas Athen 2024 Workshops und Trainings für geflüchtete Frauen und LGBT an. Bei meinem Besuch besprechen wir die aktuelle Projektabrechnung und die weiteren Planungen.

Als ich am 25. Januar zurückfliege, ist noch vieles offen, noch viel zu tun. Aber auch vieles auf einem guten Weg. Solidarität mit den Geflüchteten, mit anderen Helfenden und untereinander ist das Zauberwort. Nichts kann gut gehen ohne Solidarität. Und wenn alle mithelfen, kann so vieles gut werden. Bitte engagiert Euch weiter mit uns.

*alle Namen von Projektteilnehmenden wurden geändert.

Neues Angebot: Vielfalt entdecken

Lesungen, Info-Veranstaltungen, Fortbildungen, Kreativ-Angebote, Zuhör-Stationen …

Mit „Vielfalt entdecken – Lebensgeschichten von LSBTTIQ“ bietet just human ein Angebot für unterschiedliche Veranstaltungsformate.

Egal ob kleine oder große Gruppen, alt oder jung, ob ein mehrstündiges Event oder ein kurzer Input: Vielfalt kann überall und auf unterschiedlichste Art entdeckt werden. Gerne besprechen wir individuell, wie das Event gestaltet werden soll, zum Beispiel als:
– eine Lesung mit Gespräch,
– ein mehrstündiger Workshop,
– ein kurzer Beitrag bei einer größeren Veranstaltung,
– eine Zuhör-Station im öffentlichen Raum oder an einem Veranstaltungsort,
– ein Angebot bei Projekttagen an Schulen für unterschiedliche Altersgruppen,
– …

Anfragen bitte an: akademie@just-human.de

Das Projekt „Vielfalt entdecken – Lebensgeschichten von LSBTTIQ“ wird finanziert durch das Logo Sozialministerium Baden-WürttembergMinisterium für Soziales, Gesundheit und Integration aus Landesmitteln, die der Landtag von Baden-Württemberg beschlossen hat, und gefördert von Catalent. 

Rückblick – Engagement von just human 2024

just human 2024

Die Unterstützung von just human hat auch 2024 Not gelindert und Leben verändert.
Einige Beispiele aus dem vergangenen Jahr:

Im “Maison Charlotte“ in Athen fanden 2024 insgesamt 11 geflüchtete Frauen und 13 Kinder Schutz und individuelle Unterstützung. Im Sommer musste das “Maison Charlotte“ in neue Wohnungen ziehen. Glücklicherweise konnten dabei alle Bewohnerinnen wieder gut versorgt und zusätzliche Notunterkünfte angeboten werden. Zwei Caseworkerinnen unterstützten die Frauen und Kinder im Asylverfahren, vermittelten Therapien, Sprachkurse, Schulbesuch, Workshops und Ausbildungen.

Im Februar 2024 startete das Projekt „Schutz und Unterstützung beim Start in ein selbstbestimmtes Leben“ für anerkannte Schutz und Unterstützung beim Start in ein selbstbestimmtes Lebengeflüchtete Frauen. Sie erhalten finanzielle Unterstützung und Begleitung bei der Suche nach Wohnung, Ausbildung, Arbeitsstelle und ggf. Kinderbetreuung, bis sie unabhängig leben können. 6 Frauen mit Kindern nahmen 2024 an dem neuen Projekt teil.

Die Hilfsaktion “Sternstunden e.V.“ des Bayerischen Rundfunks förderte von Juli 2021 bis November 2024 die Nothilfe für Kinder und ihre Mütter. 2024 konnten wir damit insgesamt 170 Frauen und 232 Kinder in Athen und auf Lesbos mit Lebensmitteln, Bekleidung, Medikamenten, Lernmaterialien und Therapien unterstützen.

Die erneute Förderung der Stadt Stuttgart ermöglichte in Athen eine Fortführung des Integrationsprojekts für geflüchtete Frauen und LSBTTIQ. 110 Personen, davon 30 LSBTTIQ-Geflüchtete, nahmen an den Sprachkursen, Bewerbungstrainings und Integrationskursen.

Auch auf Lesbos unterstützte die Stadt Stuttgart ein Projekt von just human in Kooperation mit dem Welcome Office Lesbos. 12 Frauen und 7 Kinder konnten dank der Förderung das Lager verlassen und in eine Schutzwohnung Sie erhalten dort umfassende Betreuung, Beratung und weitere Unterstützung.

Die Verfolgung von LSBTTIQ nimmt weltweit zu. 2024 musste just human 22 LSBTTIQ-Geflüchtete unterstützen, die in ihren Heimatländern in Afrika und Europa mit dem Tode bedroht waren, um ihnen Flucht und Sicherheit zu ermöglichen.

Frauen mit Kindern beim Pride 2024, AthenIn Athen bot just human acht LSBTTIQ-Geflüchteten eine geschützte Unterkunft und alle individuell notwendigen Hilfen.

Mit anderen Engagierten setzt sich just human z.B. als Mitglied von ILGA, im Bündnis „Queere Nothilfe Ukraine“, „Bündnis Queere Nothilfe Uganda“ und im AK LSBTTIQ der Stadt Stuttgart für Menschenrechte von LSBTTIQ ein.

Im Mai 2024 begann das Projekt „Saving lives – Kooperation für medizinische Hilfe“ in Sierra Leone.Projektbeteiligte Sierra Leone just human ermöglicht dem Connaught Hospital in Freetown dabei die Versorgung von schwerkranken Patient*innen, die sich die notwendige medizinische Hilfe selbst nicht leisten könnten. 62 Menschen konnten dadurch 2024 behandelt werden. Außerdem wurden Medikamente für die Kinderstation und die Notaufnahme besorgt.

In Südafrika unterstützt just human seit 2020 das Schutzhaus für Frauen in Bredasdorp. Das Haus wurde erweitert und bietet nun Platz für 24 Frauen und ihre Kinder. 2024 konnten insgesamt 109 Frauen mit Kindern aufgenommen werden.

just human war 2024 mit einem Stand auf der “Fair Handeln“ in Stuttgart und gestaltete auf der Frankfurter Buchmesse zusammen mit den Rainbow Stories Frankfurt die Veranstaltung “Finden queere Geflüchtete noch Schutz in Deutschland?“.

In Athen bot just human 2024 einer französischen Studentin einen Praktikumsplatz In der Stuttgarter Geschäftsstelle hospitierte eine afghanische Menschenrechtsaktivistin, die 2025 weiter mit just human zusammenarbeiten wird.

Jede Einzelne zählt – Artikel in der Zeitschrift „freundin“ 6/2024

Hier: pdf-Datei des Artikels „Jede Einzelne zählt“, Zeitschrift freundin, Heft 6/2024, Seiten 62 – 68