„For god`s sake it is done finally. We made it!“ – Nothilfe für LGBT-Geflüchtete
Immer mehr Menschen werden von Deutschland nach Griechenland abgeschoben, obwohl ihnen dort existentielle Not und Obdachlosigkeit droht. Gleichzeitig kommen neue Geflüchtete in Griechenland an. Hier berichten wir anhand von zwei Notrufen über die Nothilfe von just human für LGBT-Geflüchtete.
Am 18. Juli, einem Freitag, erreichte uns am späten Nachmittag eine WhatsApp der LGBT Solidarity Group auf Lesbos. Sie schrieben, dass eine iranische Transfrau von Deutschland nach Griechenland abgeschoben worden war. Mehrere Tage lebte sie schon obdachlos und ohne Geld in Athen auf der Straße. Sie war Gewalt ausgesetzt, ist attackiert worden und hatte Angst vor der nächsten Nacht und dem Wochenende auf der Straße. Die Frage war, ob wir helfen können. Wie baten, unsere Nummer weiterzugeben und erhielten kurz danach die erste Nachricht von Eva*. Weil sie nur Persisch und Farsi spricht, war die Verständigung schwierig. Wir konnten übersetzen, dass sie nach ihrer Abschiebung zuerst bei Freunden gewohnt hat, dort nicht bleiben konnte und deshalb seit 6 Tagen auf der Straße lebte.
Eva fragte, ob sie mit jemandem telefonieren kann, der Persisch spricht, damit sie ihre Situation besser schildern kann. Wir baten deshalb einen jungen Mann, den wir vor einigen Jahren in Griechenland in einer ähnlichen Situation kennengelernt haben und der inzwischen in Deutschland anerkannt ist und arbeitet, ob er mit ihr sprechen würde. Er war sofort bereit zu helfen. Unsere Fragen waren, ob wir versuchen sollen, ein Hotelzimmer zu finden, ob sie einen Bankaccount hat und ob sie weitere Unterstützung braucht. Tatsächlich hat sie einen deutschen Bankaccount, der aber offenbar gesperrt war. Die LGBT Solidarity Group hätte schon versucht 10 € zu überweisen und sie konnte es nicht abheben, erklärte Eva. Wir besprachen, dass wir ein Hotelzimmer suchen.
Inzwischen war es 20.30 Uhr – in Griechenland schon 21.30 Uhr. In einem zentralen Athener Hotel ist just human als Hilfsorganisation bekannt. Die Hotelverantwortlichen ermöglichen es uns, Zimmer für Menschen in Notsituationen zu einem reduzierten Betrag zu buchen. Die gesamte Situation ist dort sehr solidarisch und respektvoll. Dieses Hotel wäre unsere erste Wahl gewesen, aber es war leider voll belegt. Wir haben daher ein anderes relativ günstiges Hotel angefragt, in dem wir selbst schon einmal übernachtet haben. Dort war ein Zimmer frei und wir buchten es für vier Nächte, um etwas Zeit für die Suche nach einer langfristigen Lösung zu haben. Dabei gaben wir unsere Kreditkartennummer an und die Reservierung wurde bestätigt. Und so baten wir Eva, zum Hotel zu kommen.
Währenddessen sagte uns der Rezeptionist, sie würden nicht von der angegebenen Kreditkarte abbuchen, sondern der Gast, für den wir reserviert haben, müsste beim Einchecken mit der eigenen Karte bezahlen. Das ist sicher verständlich, es war Freitagnacht, aber wir wussten, dass das nicht möglich ist. Wir mussten also versuchen, eine Überweisung zu machen. Eine Kontonummer war auf der Homepage des Hotels nicht zu finden. Es ist einfach sonst nicht üblich, nicht beim Einchecken zu bezahlen. Zwischendurch sagte uns der Rezeptionist, unsere Freundin sei schon da und müsste das nun eben bezahlen. Und wir erklärten, dass unsere Freundin leider gerade kein Geld und keine Kreditkarte habe. Dabei hofften wir, dass er uns das Zimmer nicht absagen würde. Weder wir noch die LGBT Solidarity Group kannten Eva persönlich. Wir wussten nur, dass sie einige Tage obdachlos war und vielleicht nicht in besonders gutem Zustand ins Hotel kam. Aber alles hat geklappt. Nach vielen Telefonaten konnten wir das Geld direkt überweisen. Dazu hat der Rezeptionist immer wieder mit uns gesprochen und dann gesagt: „Rufen Sie in 20 Minuten wieder an, ich kläre das.“ Oder „Rufen Sie in 5 Minuten an, ich kläre das.“ Dadurch hat sich das zeitlich sehr hingezogen und Eva war beunruhigt. Sie verstand nicht, worüber gesprochen wurde und was passierte und rief ihren Persisch sprechenden Ansprechpartner noch einmal an. Der wiederum fragte bei uns nach und rief sie dann zurück, um sie zu bitten, noch etwas Geduld zu haben, weil wir das Geld noch überweisen müssen. Und ihr zu versichern, dass sie bald in ihr Hotelzimmer gehen könne.
Schließlich schickte uns der Chef des Rezeptionisten über eine Software eine Zahlungsaufforderung, und wir überwiesen das Geld sofort. Dann mussten wir nochmal warten, ob es angekommen ist. Und schließlich, es war schon gegen Mitternacht, kam die Nachricht, das Geld sei angekommen. Und „Your friend is in the room now.“ Der Rezeptionist war selbst ganz erleichtert und ergänzte „For god`s sake it is done finally. We made it!“ Auch er war froh, dass alles geklappt hat. Später schrieb Eva, dass sie glücklich in ihrem Zimmer angekommen ist, erstmal geduscht und dann sehr gut geschlafen hat.
Weil die zuständige Caseworkerin übers Wochenende nicht erreichbar war, haben wir am Samstagmorgen selbst erste Kontakte aufgenommen, um eine langfristigere Unterkunft zu finden. Außerdem war es uns wichtig, dass Eva schnell Geld für Medikamente und Grundversorgung bekommt. Dabei hat uns eine Freundin unterstützt, eine griechische Transaktivistin in Athen, die wir schon lange kennen. Nachdem die grundlegende Versorgung mit Zimmer, Lebensmitteln und Medikamenten gesichert war, haben wir Eva mehrere Telefonnummern und Email-Adressen gegeben, bei denen sich Geflüchtete selbst melden können, und sie gebeten, schnellstmöglich Kontakt aufzunehmen. Parallel schrieben wir selbst an die Organisationen. Eva bekam so am Dienstag die Zusage für ein Zimmer bei einer unserer Partnerorganisationen in Athen. Sie bekommt dort Beratung, Hilfe zum Lebensunterhalt und Unterstützung bei der Arbeitssuche. Und wir bleiben in Kontakt.
(*Name geändert)
Obdachlos bei über 40 Grad
Am 28. Juli kamen drei iranische LSBTIQ+Geflüchtete, die noch nicht registriert waren, in das Victoria Community Center, wo auch das Athener Büro von just human ist. Sie waren erschöpft, obdach- und mittellos. Bei Temperaturen von über 40 Grad hatten sie am Strand gelebt, bis die Polizei sie vertrieb. Einer der LGBT-Geflüchteten braucht für eine Geschlechtsangleichung dringend Hormone, ein anderer war krank.
Mit Hilfe einer Rechtshilfe-Organisation bekamen sie einen Termin am 5. August für die Registrierung im Malakasa Camp, in der Nähe von Athen. Aber es gab für die Zwischenzeit keine Unterkunft und auch keine Unterstützungsmöglichkeit, deshalb wandten sie sich an just human.
Diesmal hatten wir Glück: Es war Montag, unsere Projektkoordinatorin Kalliopi war erreichbar, und in dem Hotel, in dem just human bekannt ist und besonders günstige Konditionen bekommt, waren Zimmer frei. Kalliopi konnte vor Ort bezahlen und sorgte außerdem für alle benötigten Medikamente und für Lebensmittel. Ob die drei LGBT-Geflüchteten im Camp in Sicherheit leben können, ist ungewiss. Um weitere Unterstützung zu ermöglichen, haben sie unsere Kontaktdaten bekommen. Wir werden in Kontakt bleiben.